Bericht aus Brüssel von Jörn Krüger

Hier der brandaktuelle Bericht von Jörn Krüger über das Treffen der europäischen Fracking-Gegner:

Das Treffen ist eindeutig französisch dominiert. Neben Reinhard Bütikofer haben die französischen Abgeordneten Jose Bove und Michele Rivasi eingeladen. Am Donnerstag kam auch noch der niederländische Abgeordnete Bas Eickhout dazu.

Die französichen Aktivisten haben am Donnerstag ihre Aktionen vorgestellt. Im Bereich um Ardesch organisieren sie Bürgerveranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern. Mehr als 20.000 Menschen haben sie auf diese Weise schon direkt angesprochen.

Aber auch in anderen Teilen Frankreichs, die nicht so leicht zu mobilisieren sind, ist der Widerstand gegen die unkonventionelle Gasförderung groß.

In der französischen Regierung hat die Opposition jetzt einen Antrag eingebracht, Horizontalbohrungen und Fracking vollständig zu verbieten. Die Regierung unterstützt den Antrag und wird ihn jetzt in einem Eilverfahren bis Mitte Mai umsetzen.

Auch werden in Frankreich bereits erteilte Genehmigungen für Bohrungen wieder rückgängig gemacht. Das Bergrecht, ähnlich dem Deutschen, soll jetzt um Umweltverträglichkeitsprüfungen, Bürgerbeteiligungen und Wasserschutz erweitert werden.

Allerdings gibt es die Befürchtungen, dass nach einer Neuwahl, die im nächsten Jahr ansteht, die Änderungen wieder zu Gunsten der Industrie zurückgenommen werden könnten. In Deutschland haben wir das ja auch mit der Verlängerung der AKW Laufzeiten erlebt.

Ein ähnliches Bild gibt es in Schweden. Dort hat sich nach massiven Protesten das Unternehmen Shell zurückgezogen. Die Aktionen laufen aber weiter, um auch dort das ebenfalls antike Bergrecht zu überarbeiten.

In Polen ist die Situation etwas anders. Die polnische Regierung treibt die Expansion massiv voran. In erster Linie aus politischen Gründen, um unabhängig von russischen Gaslieferungen zu werden. Die Umwelt spielt eher eine unbedeutende Rolle.

Das ist auch bei den Protesten so. Diese richten sich in erster Linie dagegen, dass die polnischen Ressourcen an amerikanische Unternehmen verkauft werden, die diese dann selber ausbeuten können.

Außerdem versuchen vor allem die polnischen EU Abgeordneten eine Fracking-freundliche Gesetzgebung auf EU-Ebene zu erreichen. Sie führen momentan Gespräche mit allen EU-Abgeordneten, um von ihnen Unterschriften für die Förderung unkonventioneller Gasvorkommen zu erhalten. Bekommen sie dafür die Mehrheit, gilt das als offizielle EU-Entscheidung.

In den Niederlanden gibt es momentan kaum Informationen in der Bevölkerung über die unkonventionelle Gasförderung. Die niederländische Regierung sagt, dass die momentane Gesetzgebung ausreichend sei. Die Niederlande haben um Unterstützung gebeten, um die Bevölkerung aufzuklären.

Sehr interessant war auch, dass die Unternehmen Halliburton, ExxonMobil und Wintershall im Moment sehr viel in Paris, Berlin und Brüssel unterwegs sind, um ihre Interessen zu schützen.

Das könnte auch erklären, warum das Bundesumweltministerium nur mit Mitteln der Lobby-Verbände von ExxonMobil und Wintershall informiert. Mit den Interessengemeinschaften hat Herr Röttgen schließlich noch nicht gesprochen.

Am zweiten Tag standen Gespräche mit Experten im Vordergrund. Ein Geologe schilderte die Situation in Frankreich. Durch Klüfte und Verschiebungen im Gestein ist das Risiko sehr groß, dass durch das Fracking Gase und zuvor gebundenes Lagerstättenwasser nach oben in die trinkwasserführenden Schichten gelangt.

Das gleiche gilt auch für die Chemikalien. Bei ihnen ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch sie mit wasserführenden Schichten in Kontakt geraten.

Ein weiterer Vortrag behandelte die aktuelle Studie der Universität Cornell über die Klimaschädlichkeit von Methan. Zwar bestätigte auch dieser Experte, dass die Studie an vielen Stellen auf theoretischen Modellen und Stichproben  basiert. Aber das ist bei vielen anderen Studien auch der Fall.

Im Verhältnis hat unkonventionell gefördertes Gas damit auf zwanzig Jahre die gleichen Klimaauswirkungen wie Kohle. Der einzige Vorteil sei, dass Gas sauberer verbrennt und damit weniger sonstige Schadstoffe produziere.

Danach berichteten die europäischen Bereiche DG Environment und DG Energie. DG Environment stellte die Gesetze vor, die bereits heute zum Schutz der Umwelt, des Trinkwassers und des Grundwassers verfügbar sind. Doch wie der Abgeordnete Bas Eickhout feststellte, würde keines der Gesetze die unkonventionelle Gasförderung wirklich direkt betreffen.

So dürften zwar keine Substanzen in den Boden gebracht werden, die nachweislich dem Trinkwasser schaden. Doch bei Tiefenbohrungen sind die Substanzen Anfangs zu weit vom Trinkwasser entfernt. Nur der Transfer durch die Verrohrung durch Trinkwasserschichten würde kontrolliert.

Auch wenn später Schäden durch freigesetztes Methan oder Lagerstättenwasser auftreten, sei dass kein Tatbestand, der unter die europäischen Richtlinie falle.

Im Prinzip müssen sich die Mitgliedsländer selber um eigene Gesetze kümmern, die z.B. Fracking verbieten oder einschränken. Trotzdem sollten die Initiativen versuchen, auf Grund der europäischen Wasserschutzrichtlinien einen Stopp der Technologie zu einzuklagen. Die fördernden Unternehmen müssten dann nachweisen, dass sie nicht für eine Verschlechterung des Wassers sorgen.

DG Energie steht dagegen der Förderung sehr positiv gegenüber. Sie berufen sich auf die Gaskrise von 2009, bei der mehrere europäische Länder nicht mehr mit russischem Gas versorgt wurden. Allerdings stellten auch sie klar, dass sie das europäische Ziel verfolgen, bis 2050 vollständig auf regenerative Energien umzustellen. Das ein Umstellung möglich ist, zeigen aktuell Studien verschiedener Verbände.

Zum Abschluss der Veranstaltung unterschrieben die Teilnehmer einen gemeinsamen Brief an Energiekommissar Günther Oettinger (Deutschland, CDU). Sie fordern ihn auf

  • für einen regelmäßigen Dialog zwischen den Initiativen, Nichtregierungsorganisationen und der Politik zur unkonventionellen Gasförderung zu sorgen
  • ein Moratorium einzurichten, dass zumindest bis zum Abschluss der amerikanischen EPA-Studie die unkonventionelle Gasförderung, Probebohrungen und Förderung auf Eis legt
  • alle Chemikalien, die eingesetzt werden oder die eingesetzt werden könnten, zu ermitteln, zu bewerten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Aus Sicht der Grünen forderte Reinhard Bütikofer auch noch einmal alle anderen Parteien auf, Stellung zu beziehen und sich am Dialog zu beteiligen.

Im Sommer wird ein weiteres Treffen stattfinden. Bis dahin wird die Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmern ausgebaut. Auch ein gemeinsames Internet-Portal ist in Vorbereitung, welches die Informationen länderübergreifend zusammenfasst.

Auf dem bevorstehenden Fracking-Verbot in Frankreich und der Moratoriumsforderung auf europäischer Ebene dürfen sich die Gegner der unkonventionellen Gasförderung nicht ausruhen.

Als nächstes müssen die Bundestagsabgeordneten in Deutschland auch aus Sicht der Bürgerinitiativen informiert werden. Dieses Feld darf nicht ExxonMobil, Wintershall und den anderen gasfördernden Unternehmen überlassen werden.

Das gleiche gilt auch für die Europaabgeordneten. Es gibt noch viel zu tun.

Verfasser: Jörn Krüger

Zur Erinnerung: Für den Hinweis auf die Veranstaltung klicken Sie bitte hier.

Für den Druck oder die Weitergabe hier der Bericht nochmal als PDF: Bericht_Shale_Gas_Summit

Nachtrag 15.4.2011: RadioRST-Interview mit Jörn Krüger

Zitat sinngemäß:

Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir in den nächsten 10 – 15 Jahren keine Bohrungen in Nordwalde haben werden.

 

 

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