Gabriel frackt den Rechtsstaat

Fracking-Kompromiss ermöglicht Schiefergasfracking. „Expertenkommission“ soll entscheiden.

Im Handstreich versucht nun die Bundesregierung Fracking in Deutschland zu etablieren. Anstatt sich der breiten Ablehnung in der Bevölkerung zu stellen und diese riskante Form der Energiegewinnung zu untersagen, versucht man sich in Berlin der Verantwortung zu entziehen. Ein sechsköpfiges Expertengremium soll es richten und die „absolute Sicherheit“ bescheinigen. Womit sich schon der erste Widerspruch auftut, denn für die „absolute Sicherheit“ soll eine einfache Mehrheit ausreichen und Bedenkenträger innerhalb des Gremiums niederstimmen können. Das beißt sich mit dem vorgeblichen Anspruch der „absoluten Sicherheit“.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)  erklärt hierzu:

BBU: Gabriel, Hendricks und Altmaier fracken skrupellos den Rechtsstaat – Einigung zum gefährlichen Gasbohren ist ein Anschlag auf die Demokratie und die Umwelt

 Als einzigartigen demokratiefeindlichen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bewertet der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) die nun bekannt gewordenen Ergebnisse der Einigung der drei Bundesminister Gabriel (SPD), Hendricks (SPD) und Altmaier (CDU) zum Fracking. Die Entscheidung, ob bei konkreten Einzelvorhaben Fracking im Schiefergestein oberhalb von 3.000 m Tiefe erfolgen darf, soll zukünftig von einer Kommission der Bundesregierung getroffen werden. Damit werden bergrechtliche Genehmigungsverfahren, die in Deutschland über Jahrzehnte bewährte Anwendung des Umweltrechts und die etablierte Struktur des Verwaltungsvollzugs ausgehebelt. An die Stelle rechtsstaatlicher und verwaltungsgerichtlich überprüfbarer Verfahren sollen nun mehrheitlich gefasste Entscheidungen von sechs genehmen Personen aus dem Wissenschaftsbereich treten. Damit werden rechtsstaatliche Strukturen durch die Meinungen frackingfreundlicher Einzelpersonen ersetzt.

Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden Vorstand des BBU erklärt hierzu: „Bei der geplanten Einrichtung  der Kommission handelt es sich von Anfang an um ein abgekartetes Spiel. Mit der Festlegung auf Akteure aus dem ‚Wissenschaftsbereich‘ soll verhindert werden, dass Vertreter der Zivilgesellschaft, beispielsweise aus Umweltverbänden oder Bürgerinitiativen, in diesem Gremium vertreten sind und dieses kontrollieren können. Mit der Berufung kritischer Wissenschaftler ist lediglich in Form einer Feigenblattfunktion zu rechnen. Dies zeigt sich bereits daran, dass die von Fracking begeisterte Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe einen sicheren Sitz erhalten soll. Im Gespräch ist zudem die Helmholtz-Gesellschaft, die bisher nicht durch kritische Äußerungen zum Fracking aufgefallen ist. Sollte trotzdem einmal eine Person ausscheren, sichert das Mehrheitsprinzip in diesem Gremium eine Pro-Fracking-Entscheidung. Es ist die Aufgabe des Gremiums, Fracking-Vorhaben konsequent durchzuwinken.“

Für den BBU steht fest, dass mit der Einrichtung eines derartigen Gremiums, das demokratische und korrekte verwaltungsrechtliche Ergebnisse verhindern soll, der Rechtssaat ausgehöhlt wird. Damit erhält das Thema Fracking eine völlig neue Dimension: An die Stelle der parlamentarischen Demokratie, des gesellschaftlichen Diskurses und detailliert vorgegebener Verwaltungsvorgänge sollen nun Honoratiorenentscheidungen mit vorbestimmten Ergebnissen treten.

Die Bundesregierung plant, ihre Fracking-Pläne überfallartig noch in diesem Jahr vom Bundestag verabschieden zu lassen. Der BBU ruft daher die Abgeordneten, gerade aus SPD, CDU und CSU, auf, dies nicht zuzulassen. Er appelliert an die Abgeordneten, bereits jetzt zu verhindern, dass es zu einer Kabinettsbefassung kommt. Der BBU verweist dabei auf den erfolgreichen Widerstand der Abgeordneten in der letzten Legislaturperiode.

 

Ohnehin beschreitet man mit einer solchen Kommission neue Wege. Statt die politische Verantwortung zu tragen, überlässt man die Entscheidung einem willkürlich außerhalb der demokratischen Wege ernannten Gremium. Als Besetzung stehen bereits Personen sowohl der BGR wie auch des Helmholtz-Zentrums im Raum, welche beide für ihre frackingfreundliche Haltung bekannt sind. So erteilte die BGR in der Vergangenheit laut SPIEGEL ihren Seismologen einen Maulkorb, als diese nach dem Rotenburg-Beben 2004 die Erdgasförderung als Ursache erwogen. Ganz getreu dem Motto „Es kann nicht sein, was (in den Augen des Bergbaus) nicht sein darf“. Die Erdgasbranche wird eine solche Haltung der BGR-Führung zu würdigen wissen, hat sie über Ihre Vertreter im Kuratorium doch erheblichen Einfluss auf die BGR und damit auch auf künftige Fracking-Komission. BGR-Chef Kümpel beteuert bei jeder Gelegenheit die völlige Ungefährlichkeit des Verfahrens. Während er in den Medien Erdstöße für praktisch unmöglich hält,  sucht er zugleich auf seiner Website schonmal nach Investoren für sein patentiertes Erdbeben-Bett mit angebauten Airbags.

Ähnlich industrienah zeigt sich die Helmholtz-Gemeinschaft. In der Vergangenheit hatte sie bereits mit der Asse unter dem Deckmantel der „Versuchseinlagerung“ defakto ein Atomendlager betrieben und mit ihm den Grundstein für jede Menge Probleme geschaffen. Hinsichtlich der Erdgas-Förderung stellt sich die Situation nicht besser dar. Das Aushängeschild Brian Horsfield weist mit Continental Oil, ARCO und Conoco nicht nur drei Ölunternehmen in seinem Lebenslauf auf. Er bildet als Projektleiter mit dem Geforschungszentrum Potsdamm die Basis für das mit Helmholtz-Geldern getragene Schiefergas-Lobbyprojekt „Shale Gas Information Platform“ (SHIP) und gibt zugleich im industriefinanzierten Schwester-Projekt „GASH“ („Gas Shales in Europe“) den Ton an. Befürwortern dient er gerne als Referenz mit seinen markigen Sprüchen, dass es doch bislang weltweit nur einen einzigen Fall von Wasserverunreinigugen gegeben hätte. Ein einfacher Blick in Störfall-Datenbanken, wie sie manche US-Bundesstaaten veröffentlichen, zeigt ein deutlich anderes Bild..

Es befremdet, wie hier einer im Legitmationsvakuum schwebenden Kommission die Entscheidungsgewalt überlassen wird. Offenbar ist die Politik nicht mehr in der Lage, ihrer ureigensten Aufgabe nachzukommen, die Regeln für das gesellschaftliche Miteinander aufzustellen. Was folgt als nächstes? Befindet demnächst ein Ausschuss mit dem Geschäftsführer von Rheinmetall, dem Betriebsrat von Heckler&Koch sowie dem Vorsitzenden der Bielefelder Reservistenkameradschaft über Auslandseinsätze der Bundeswehr?!

 

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