Von Kerkwitz nach Grabice: Null Akzeptanz für Braunkohlebagger

Wir_sind_kein_AbraumVom 16. bis 24. August fand in Kerkwitz in der Lausitz das Klimacamp statt. Im Zentrum stand die Braunkohle und der Ort war nicht zufällig gewählt: Hier wurden unlängst neue Braunkohletagebaue genehmigt, denen mehrere Dörfer zum Opfer fallen sollen.

Nicht nur dagegen, sondern auch gegen den Stumpfsinn und den Irrsinn, mit dem Braunkohle im 3. Jahrtausend abgebaut und zur Verstromung eingesetzt wird und weiterhin werden soll, richtet sich der Widerstand. Braunkohle hat sowohl bei ihrer Gewinnung als auch bei ihrer Verbrennung verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Mehrere Tonnen Quecksilber und unglaubliche Mengen an CO2 stoßen die allein die deutschen Braunkohlekraftwerke jährlich aus. Der Wirkungsgrad von Braunkohle beträgt kaum mehr als 30 Prozent. Gleichzeitig verkauft Deutschland ungemein viel Strom ins Ausland.

Wie schon im Juli im Klimacamp in Borschemich im Rheinland trafen sich Tausende in Kerkwitz, um auf den Wahnsinn aufmerksam zu machen und Lösungen zu erarbeiten.

Peter Müller-Maas aus Beeskow berichtet hier in einem Gastbeitrag:

Kirche in Kerkwitz
Kirche in Kerkwitz

Kerkwitz, Gabrice, Menschenkette, Matthias Platzeck, Frank Steffen, Simone Peter, Anton Hofreiter und die unaufhörlich sinnvertauschten Begriffe von Eigenwohl und Gemeinwohl

Ein Bild setzt Zeichen, denen schwer zu widersprechen ist. Die Kirche von Kerkwitz war am 23.08.2014 einer der Ausgangspunkte einer Menschenkette von ca. 7500 Teilnehmern, die über die Grenze nach Polen und dort zum Dorf Grabice, der andere Ausgangspunkt, führte.

Menschenkette bei Kerkwitz, 2014
Menschenkette bei Kerkwitz, 2014
Menschen nahmen sich an die Hand, die sich zuvor noch nie begegneten. Eine unausgesprochene Verbundenheit verbreiterte sich von Kerkwitz nach Grabice und von dort zurück zur Verhinderung der Erschließung und Ausdehnung neuer Braunkohletagebaue, denen diese Dörfer u.a. weichen sollen.

Während im Land an der Ostgrenze zu Polen ein erbitterter Krieg tobt, ließ diese Menschenkette auch den friedensstiftenden Umgang zwischen Polen und Deutschen deutlich werden. Der Aufruf von Tobias Münchmeyer, Greenpeace, ist in diesem Zusammenhang sehr aktuell.

Menschenkette in Kerkwitz
Menschenkette in Kerkwitz
Die Bundeskanzlerin, so erfuhren wir heute in den Nachrichten, besuchte zeitgleich zu unserer Veranstaltung die Ukraine, um Wiederaufbaugelder dort unter Bedingungen und Regelungen zu verteilen. Friedensstiftende Zeichen hätte Angela Merkel stattdessen auch als Glied unserer Menschenkette setzen können, höchstwahrscheinlich noch viel nutzbringender und bescheidener, als in der Ukraine, weil hier in der Lausitz und in Westpolen das Vorhandene noch unzerstört blieb und Vattenfall die Bagger noch nicht losgelassen hat.

Ich bin weit davon entfernt, richtige Kriege mit der geplanten restlosen Zerstörung ganzer Landschaften zu Gunsten der Braunkohleverstromung zu vergleichen, doch vermeidenswürdig sind sie beide allemal. Wenn wir unsere Nato-Kampflieger nicht mehr landen lassen, weil sonst die Drohgebärde gegenüber Russland unwirksam wäre, können wir die Energiewende sowieso an den Nagel
hängen, bei den hohen Spritpreisen.

Aus alledem dürfte erkennbar sein, dass ein umweltfreundlicher Umgang mit der Natur, im Grunde genommen der wesentliche Baustein der Energiewende darstellt, mithin auch noch ein Friedensstiftender, wie sich zeigte.

Frank Steffen, BM Beeskow (li.) und Matthias Platzeck, langjähriger MP von Brandenburg
Frank Steffen, BM Beeskow (li.) und Matthias Platzeck, langjähriger MP von Brandenburg
7500 Menschen tauchten plötzlich im Grenzgebiet zwischen Polen und Deutschland auf, reichen sich die Hände und hatten klare Vorstellungen von gebotenen Überlebensstrategien der Menschheit, der Energieversorgung, der Energie- und Verhaltenswende, machten sich zudem auch noch Gedanken darüber, ob ein gesellschaftlicher Umbau eigentlich nicht noch dazugehört.

Warum kriegen das die meisten unsere Politiker nicht hin, warum können sie nicht so sein wie wir?

Eine seltene Gelegenheit, diesem Problem näher zu kommen, bot sich mir durch eine Veranstaltung des Beeskower Burgfördervereins, der Matthias Platzeck zu einem Gespräch mit dem Beeskower Bürgermeister, Frank Steffen, einlud. Frank Steffen sprach das Thema CCS, also die unterirdische Speicherung von CO2 an und Matthias Platzeck antwortete, dass er sich in diesem Zusammenhang die Akzeptanz der Bevölkerung als höchste Priorität vorgab, diese aber leider nicht erreichen konnte und nun verloren habe. Erklärend fügte er noch an, dass man so oder so schließlich auch beim Fußball verlieren könne.

Möchte nicht abgebaggert werden: Einwohnerin von Kerkwitz
Möchte nicht abgebaggert werden: Einwohnerin von Kerkwitz
Dazu bemerkte ich in der Veranstaltung, dass unter seiner Federführung der CCS-Wahnsinn in der Rot-Roten Landesregierung im Strategiepapier 2030 noch verankert wurde und auch derzeit immer noch fortbesteht.

Wenn es mit der Priorität und der Bevölkerungsakzeptanz bei Politikern so wäre, wie Matthias Platzeck andeutete, dann hätte sich ja nach der Menschenkette zwischen Grabice und Kerkwitz die Erschließung neuer Tagebaue vollständig erledigt. Eine Bevölkerungsakzeptanz für neue Tagebaue war der Menschenkette nun wirklich nicht zu entnehmen.

Was aber, wenn Politiker, außer Toni Hofreiter, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, und Simone Peter, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, die der Menschenkette persönlich beiwohnten, über diese lediglich nur aus den Fernsehnachrichten erfahren, dann passiert genau folgendes:
Im Großformat wird eine Anwohnerin aus Kerkwitz eingeblendet, die zutreffend und freimütig ihren Unmut über die Vernichtung ihres Dorfes, ihrer Heimat Luft macht. – Man könnte glauben, ein typischer Fall der Wahrung von Eigenwohlinteressen. Ich höre schon förmlich viele an den Bildschirmen sagen: „Die denkt nur an sich und die Energieversorgung in Deutschland scheint ihr wohl egal zu sein“. Nun endlich ist für die „Macher“ im ZDF wohl der Zeitpunkt gekommen, wo wieder „Ausgewogenheit“ angesagt ist.

"Wir lassen uns nicht abbaggern" - Transparent im Lausitzer Braunkohlerevier
„Wir lassen uns nicht abbaggern“ – Transparent im Lausitzer Braunkohlerevier
Von daher war es für das ZDF geboten, den obersten Gemeinwohlvertreter in Brandenburg, Dr. Wolfgang Rolland, Geschäftsführer von Vattenfall Europe Mining AG, noch schnell mit ein paar geschliffenen Wortsalven über Energiesicherheit einzublenden. Der ZDF-Bericht ging m.E. voll an der Realität vorbei und genügte von daher dem gesellschaftspolitischen Informationsauftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders m.E. nicht.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15.05.2014, Vf 8-VII 12. Vf. VII-12, seine Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dargelegt, für die die Rundfunkgebühr des Nutzers als Vorteilsabgeltung in Betracht gezogen wird. Darin heißt es, Zitat: „… dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in besonderem Maß die Grundlagen der Informationsgesellschaft fördert und einen wichtigen Beitrag zur Integration und Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen leistet“.

Davon konnte ich der vorliegenden Berichterstattung des ZDF, wenn überhaupt, dann nur wenig entnehmen. Eine andere Möglichkeit, der Förderung der Informationsgesellschaft zu widerstehen, nahm das Erste Deutsche Fernsehen war. Die haben einfach gar nicht berichtet.

Text und Fotos: Peter Müller-Maas, BI CO2-Endlager stoppen e.V.

136 Dörfer in der Lausitz wurden seit 1900 abgebaggert: Die nächsten auf der Abbaggerliste von Vattenfall & Co.
Auf der Abbaggerliste: Dörfer in der Lausitz

Bericht von Dirk Seifert auf Umweltfairändern:
Gegen Vattenfall – Menschenkette stärkt Widerstand gegen Braunkohle und Klimakatastrophe

Braunkohle-Info von Greenpeace

zibb – Protest gegen Tagebauerweiterung, rbb 22.08.2014

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