Faktenblatt zu CETA (Freihandelsabkommen) für SPD-Mitglieder

Faktenblatt für SPD-Mitglieder

 

MdEP Bernd Lange lässt in seiner Kommentierung der CETA-Vertragsinhalte vom Juli 2016 einige Dinge unerwähnt, andere stellt er betont heraus, obwohl sie für das völkerrechtliche Vertragswerk keine oder kaum Bedeutung haben:

 

Die wirtschaftliche Bedeutung von „CETA“ für die EU und für Deutschland auf der Basis der statistischen Werte für das Jahr 2015:

EU                         Exporte: 35,2 Mrd EUR (2,0% von Gesamt)

 Importe: 28,2 Mrd EUR (1,6% von Gesamt)

Gesamt-Handelsvolumen: 63,43 Mrd EUR (1,8% von Gesamt)

auf Rang 11 der Liste

 

Deutschland        Exporte:   9,9 Mrd EUR (0,8 % von Gesamt)

Importe:   4    Mrd EUR (0,4 % von Gesamt)

Gesamt-Handelsvolumen: 13,9 Mrd EUR (0,65 % von Gesamt)

auf Rang 31 der Liste

 

Fazit: es gibt keinen wirtschaftlich notwendigen und begründbaren Anlass, mit einem so unbedeutenden Handelspartner ein derart risikobelastetes Handelsabkommen zu schließen, der durch seine NAFTA-Bindungen noch weiter verzweigte Hintergründe hat.

Der aktuelle Handel der EU und Deutschlands mit Kanada läuft routiniert und problemlos bei bereits weitgehend abgesenkten Zöllen, die für den Handel keine Hürden mehr sind.

Fazit: es gibt keine Veranlassung, begrenzte und schwierige Handelsbeziehungen durch ein neues Vertragswerk dieser Tragweite fördern oder „anschieben“ zu wollen.

 

Hier zwei kürzliche Bewertungen zu CETA und TTIP von Ernst Ulrich von Weizsäcker, Co-Präsident des „Club of Rome“ vom 26.07.2016 beim Ökosozialen Forum in Kärnten:

“Wer gegen TTIP und CETA ist, ist nicht gegen freien Handel. Das hat mit Ablehnung von Gaunerei zu tun. TTIP und CETA sind Missgeburten!“

„Wer mehr Wettbewerb will, muss gegen TTIP sein. Ich bin für Zollabbau und Freien Handel aber gegen Schiedsgerichte, die die Amerikaner wollen.“

 

Nun zu den einzelnen Themen und Kommentaren

Supranationaler „Investorenschutz“ über eine Internationale Schiedsgerichtsregelung, außerhalb des Rechtes des jeweiligen Nationalstaates, ist nicht erforderlich, denn die EU und Kanada haben beide hervorragend ausgebaute und unabhängige Gerichtsbarkeiten, vor denen der jeweilige ausländische „Investor“ sein Recht einklagen kann.

Kommentar: Auch die abgemilderte Form eine internationalen Schiedsgerichtshofes ändert nichts an der Tatsache, dass Konzerne Staaten verklagen können, Staaten aber nicht Konzerne. Und dort können sie sehr wohl auf entgangene geplante Gewinne klagen, deren Ursache staatliches Handeln ist oder als Grund behauptet wird. De facto wird unsere Justiz und werden unsere Gesetze dadurch ausgehebelt, denn es gilt nur, was in CETA als Vertragsinhalt auf den über 2.000 Seiten Text enthalten ist.

 

Arbeitsrechtliche Bedingungen und Bestimmungen im Vertragsland Kanada werden durch CETA deutlich verbessert – eine wesentliche positive Wirkung von CETA ??

Kommentar: Es handelt sich um ein Abkommen, dass von den Großkonzernen und Vermögen und den diese umschwärmenden Anwälten und Prozessfinanzierern initiiert wurde, nicht von Arbeitnehmern, nicht von arbeitnehmernahen Parteien, nicht von KMU-Unternehmen. Das Generalziel dieses Abkommens ist die “Beseitigung“ von „Hindernissen“, die einem völlig enthemmten Agieren der Internationalen Großkonzerne und Finanzvermögen noch im Wege stehen.

 

Auch wenn in Kanada ein Premierminister im Amt ist, der den Namen nach „sozialdemokratische“ Grundhaltungen haben sollte/haben könnte, so ist es doch Fakt, dass das gesamte Wirtschaftsgeschehen in Kanada heute weit überwiegend in der Hand amerikanischer und anderer ausländischer Interessen ist.

Das Handeln dieses Premiers und kanadischer Regierungen ist vor allem darauf abgestimmt, Großkonzernen, insbesondere im Tätigkeitsfeld „Bergbau und Rohstoffgewinnung“  optimale gesetzliche Voraussetzungen zu gewähren, mit geringsten Möglichkeiten für ausländische Anspruchsmelder, diese Ansprüche vor kanadischen Gerichten durchzusetzen.

Und das hat Konsequenzen gemäß „Le Monde Diplomatique“ Ausgabe vom 13.09.2013:

 

 “Kanada das Land der Bergbauriesen“:

75 % aller weltweit tätigen Bergbauunternehmen haben den Sitz ihrer Gesellschaft in Kanada. Über 1.600 Unternehmen sind in Kanada registriert, obwohl ihre Aktivitäten ausschließlich oder überwiegend in anderen Ländern erfolgten. 2011 wurden 90 % aller weltweiten Bergbauprojekte an der Börse von Toronto abgewickelt.

 

Absichtserklärungen für gemeinsame Bemühungen um Natur- und Umweltschutz in CETA und um Schutz der Ressourcen oder gar des Klimas:

Kommentar: Einen größeren Unterschied zwischen dem Tun und den erklärten Absichten als gerade in Kanada kann man sich in einem hoch entwickelten westlichen Industrieland kaum vorstellen.

Mit dem rücksichtslosen Abbau des kanadischen Ölsandes, den Entölungsvorgängen, den riesigen Mengen vergifteter Abwässer, die in großen Becken die Natur verschandeln, mit dem hohen einzusetzenden Energieaufwand im gesamten Verfahren, mit gewaltigen CO2-Abgasmengen durch das Verbrennen des Rohöles vor Ort, um die Prozesse zu beheizen, hat das heutige Kanada sich zu einem der führenden Umweltverschmutzer der Erde entwickelt. Auch andere umweltbelastende Bergbau-Aktivitäten werden in Kanada in großem Umfang betrieben.

Und Bemühungen der EU, dieses hemmungslose Ausbeuten der kanadischen Bodenschätze zumindest etwas einzuschränken, wurden von der kanadischen Regierung mit aller Härte in Brüssel bekämpft, bis sie ihre Wirkung durch Abmilderung der Rohöl-Importrichtlinie verloren hatten. Jetzt importiert die EU „dreckiges“ kanadisches Teersand-Rohöl und leistet damit weiterhin der Klimaverschlechterung Vorschub.

Kanada lässt aber auch zu, dass Flözkohlevorkommen gefrackt und im Untergrund abgebrannt werden, um so die daraus entstehenden Gasgemische zu fördern. – Auch diese Förderung ist mit großen Umweltrisiken verbunden.

 

Exporterleichterungen für deutsche Mittelständler durch Wegfall der Zolltarife bei Abschluss CETA insbesondere für Fahrzeuge, Industriemaschinen, elektrische Maschinen  Und Medizinprodukte (was lt. B. Lange zwei Drittel der deutschen Exporte in 2015 ausmachte) Kommentar: bei derzeitigen Zollsätzen von etwa 3% Einfuhrzoll für deutsche Waren wird unser Export nach Kanada nicht behindert. Er läuft reibungslos. Bei wegfallenden Zöllen würden sich keine wesentlichen Änderungen ergeben, unsere Waren könnten dann in den angegebenen Sektoren um ca. 3% billiger angeboten werden. Das würde kaum ins Gewicht fallen.

Deutsche Mittelständler würden davon so gut wie gar nicht profitieren, da nur weniger als 3 % von ihnen überhaupt exportieren und davon wieder der Großteil in Länder der EU.

Kommentar zu der immer wieder falschen Behauptung, „die deutschen KMU werden von CETA profitieren..“ : Auch wenn es noch 100 mal wiederholt wird, das Argument stimmt sachlich nicht. Die Hauptschwierigkeiten für KMU, um in Kanada (oder überhaupt im Ausland) ins Geschäft zu kommen, liegen in der Marktstruktur,  in der Sprachbarriere, in der geographischen Entfernung, in den immens hohen, verlorenen, Vorlaufkosten bis zum Beginn einer nennenswerten Geschäftsaktivität  von meist  mehreren Hunderttausend EUR, im Mangel geeigneten vorgehaltenen Vertriebs- und Absatz-Personals im Stammwerk, das dann die notwendigen Aktivitäten vorbereitet und im Zielland entfaltet. Und diese Hürde wird durch CETA nicht abgebaut.

Deutsche Autobauer wären schlecht aufgestellt, wenn ihr Exporterfolg an ca. 3% Preisunter-schied hinge, die nach Wegfall der Zollschranke mehr Spielraum in Kanada bieten würden. Kommentar: der „Mehrwert“ deutscher Automobiltechnik und Produktionsqualität sind die Grundelemente deutscher Exporterfolge für Automobile, neben dem Markenimage. Wenn überhaupt, wird sich eine Auswirkung auf das Exportvolumen kaum bemerkbar machen, da der „Kostenvorteil“ einfach zu gering ist.

 

Investitionsschutz:

  • Lange stellt die seiner Meinung nach positiven Seiten des CETA-Vertrages dar. Doch auch ein permanentes Investitionsgericht mit einer verbindlichen Berufungsinstanz verschafft den ausländischen „Investoren“ Sonderrechte gegenüber denen im Inland. Bei allen Verbesserungen im Detail bleibt es doch dabei, dass Staaten von „Investoren“ vor solchen Gerichten verklagt werden können.

Kommentar: B. Lange verschweigt, dass „Investitionen“ in diesem Abkommen so weit gefasst sind, dass auch grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen zu „Investitionen“ werden. Darin stecken hohe Risiken, denn auch hoch riskante Terminwetten, Kurswetten, Futures, und Derivate und dgl. dürfen darunter als „Investitionen“ betrachtet werden.

  • Lange verschweigt auch, dass die Gültigkeit des Investitionsschutzes auch rückwirkend für frühere „Investitionen“ gemäß der Definitionen von „CETA“ in Kraft tritt – und zwar zeitlich unbegrenzt.

Im Mitgliederbrief der SPD von Katarina Barley von Anfang August ist auch interessanterweise der Investitionsschutz-Abschnitt von CETA nicht als Anhang erwähnt.

Falsche energiepolitische Zielsetzungen der EU bei der Versorgung mit Kohlen- Wasserstoffen aus Kanada zur Sicherung der Energieversorgung:

Kommentar: Im Hintergrund strebt die EU ein Abkommen als Zusatz zu CETA an, das ihr die Energieversorgung mit Öl und Gas aus Kanada sichert, für den Fall von Engpässen bei den bisherigen Lieferanten. Doch dieser Ansatz ist ein Trugschluss, denn Kanada als Nation ist nicht im Besitz von Öl- und Gasquellen. Kanada kann lediglich den Export nach Europa erlauben. Durchführen müssen ihn aber die Konzerne, die im Besitz der Förderkapazitäten und der Transportsysteme sind. – Und das sind börsennotierte Konzerne, die ihre eigene Geschäfts- und Lieferpolitik verfolgen.

 

Parlamentarische Kontrolle:  ??

Kommentar: Sobald CETA abgeschlossen ist, werden die EU-kanadisch Gemischten Ausschüsse gebildet werden, die sich von da an weiter mit dem Abkommen beschäftigen. Sie können und werden auch „Ergänzungen“ vornehmen, wenn die Beteiligten das wünschen oder vorschlagen. Aber sie werden diese Änderungen weitgehend außerhalb der parlamentarischen Kontrolle durch die nationalen Parlamente vornehmen. Somit kann das Abkommen Schritt für Schritt – durch nachträgliche Änderungen – konzernfreundlich geändert werden, zum Nachteil der Rechte der Bürger.

Es wird, nach den Ausführungen von Bernd Lange ausdrücklich klargestellt, dass Dumping-Wettbewerb abgelehnt wird. Kommentar: Natürlich kann man das so schreiben. Die Handelnden sind aber die Internationalen Großkonzerne. Und deren Bestreben – egal wie wir es nennen – ist die Produktion marktgängiger Produkte zu geringstmöglichen Kosten, für maximalen Profit. Wie das dann erreicht wird, bleibt dem Einzelfall überlassen.

Das NAFTA-Beispiel (Freihandelszone USA, Kanada, Mexiko) hat ja nach 20 Jahren Praxis gezeigt, was wir zu erwarten haben. Denn die Kräfte im Hintergrund, die sowohl CETA, als auch TTIP und TiSA angeschoben haben, sind die gleichen, wie bei NAFTA.

Und unser spezielles Problem in Deutschland?

Hochlohnland mit hohen sozialen Kostenblöcken auf den Löhnen, tragbar durch unsere hoch entwickelte Veredelungswirtschaft. Werden die Standards angeglichen, verlieren wir einen erheblichen Teil unseres heutigen Exportgeschäftes an billigere Fertiger.

 

In der Zusammenfassung von B. Lange vom Juli 2016

„Kernpunkte im Überblick“ in der Synopse stellt er mehrfach heraus, dass zu den jeweiligen Punkten  …“im weiteren parlamentarischen Beratungs- und Ratifizierungsprozess..“ noch Prüfungen und nötigenfalls Klarstellungen erfolgen müssen.

Kommentar: Hier wird der Eindruck erweckt, als könnten die Verhandler der EU den Inhalt des CETA-Abkommens noch einmal aufschnüren, um gegebenenfalls Korrekturen  vornehmen zu können.

 

Meine Meinung dazu:

ich glaube aus dem herauslesen zu können, dass die SPD-Führung und Bernd Lange uns die „vorläufige Inkraftsetzung“ von CETA schmackhaft machen wollen, obwohl wir das Abkommen mehrheitlich nicht haben wollen und es auch sachlich nicht benötigen. Damit würde den über 400 Mio EU-Bürgern einen Vertrag aufgehalst, der mit großer Wahrscheinlichkeit ebenso zu Wohlstandsverlusten der Arbeitnehmer führen wird, wie dies unter „NAFTA“ geschehen ist, zum Vorteil der Großkonzerne.

Außerdem sind viele Absichtserklärungen von B. Lange erwähnt, die im Abkommen stehen sollen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass diese Absichtserklärungen praktisch nur unverbindliche  Werbebotschaften für uns, die Bürger, sind.

Alles was nicht verbindlich verpflichtend beschlossen wird, ist nicht wirklich von Belang. Nach Abschluss können die Verhandlungsparteien zu anderen Meinungen kommen und genau so, wie sie jetzt eine  Absicht erklären, diese dann wieder zurück nehmen.

 

 

Wolfenbüttel, den 22.08.2016 VF

Volker Fritz          e-mail: fritzv@fritzvpack.de

 

Quellen:

Synopse –Gegenüberstellung der SPD-Kriterien und der Inhalte des CETA-Vertrages

vom Juli 2016, Autor Bernd Lange

https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Sonstiges__Papiere_et_al_/Synopse_CETA_Lange.pdf

 

von Weizsäcker  (Co-Präsident des Club of Rome) Statements zu TTIP und CETA am 26.07.2016 in Velden/Österreich  auf dem Ökosozialen Forum Kärnten

https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/5057749/Club-of-Rome_Weizsaecker_TTIP-und-CETA-sind-Missgeburten

 

Freihandelsabkommen CETA Endform vom 05.07.2016, herausgegeben von der EU-

Kommission unter COM(2016) 443 final in deutsch
http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/index.cfm;jsessionid=AB53C9F9503550AA954B7083A35EC404.cfusion14601?fuseaction=list&n=10&adv=0&coteId=&year=2016&number=443&version=F&dateFrom=&dateTo=&serviceId=&documentType=&title=&titleLanguage=&titleSearch=EXACT&sortBy=NUMBER&sortOrder=DESC

 

Statistisches Bundesamt DESTATIS – Außenhandel, Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland 2015  erschienen 18.08.2016

 

Wikipedia  Wirtschaft der Europäischen Union (2015)

4.2 Außenhandel – Top 25 Hauptaußenhandelspartner der Europäischen Union (2015)

https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_der_Europ%C3%A4ischen_Union#Au.C3.9Fenhande

 

Le Monde Diplomatique –  Deutsche Ausgabe vom 13.09.2013

(Kanada) „Das Land der Bergbauriesen“ Autoren: Alain Deneault und William Sacher

monde-diplomatique.de/artikel/!451178

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