Exxon hat 10 „Fakten“ zu Nöpke – IG NRÜ hat dazu 10 Antworten

In einer Presseinformation rechtfertigt ExxonMobil sein
Bohrvorhaben im Wasserschutzgebiet Hagen, nördlich
von Hannover. Wer sich bereits mit Veröffentlichungen
des Öl- und Gas-Großkonzerns auseinander gesetzt hat,
erkennt schnell: Die „10 Fakten zum Bohrprojekt Nöpke“1
zeigen beispielhaft, wie ExxonMobil versucht, kritische
Tatsachen zu umgehen. Risiken werden heruntergespielt,
Zwischenfälle geleugnet. Häufig widerspricht sich der
Konzern selber mit eigenen Aussagen an anderer Stelle.
Was bleibt da noch an Glaubwürdigkeit?
Lesen Sie den Kommentar der Interessengemeinschaft (IG)

NRÜ GEGEN FRACKING (Januar 2012).
EXXON: „1. ExxonMobil fördert seit vielen Jahrzehnten Erdgas in Niedersachsen. Seit 2008 erkundet das Unternehmen Schiefergaslagerstätten. Bisher wurden 6 Erkundungsbohrungen fertiggestellt. Für das Bohrprojekt Nöpke liegt seit 2009 eine Zulassung für eine Bohrung vor.“
IG: ExxonMobil hat also bisher nur geringe Erfahrung mit Schiefergaslagerstätten in Deutschland.
Und dies auch nur beschränkt auf Erkundungen. Die eigentliche, sehr spezielle Fördertechnik für
Schiefergas (Shale Gas) hat der Konzern demnach hier noch gar nicht erprobt. So erfährt man auf
der Internetseite des Konzerns: „Shale Gas wird in Deutschland bisher nicht gefördert. Wir
befinden uns am Beginn eines mehrjährigen Untersuchungsprozesses.“2

EXXON: „2. Das Bohrprojekt wird nicht im Jahr 2012 realisiert werden.“
IG: Der Zeitpunkt eines solch massiven Eingriffs in die Umwelt spielt unseres Erachtens keine
Rolle. Uns ist es wichtig, dass hier gar nicht gebohrt wird.

EXXON: „3. Die Zulassung umfasst lediglich eine Bohrung. Hydraulic Fracturing ist kein Bohrverfahren. Für eine Frac-Maßnahme wäre ein gesonderter Antrag zu stellen, der nur dann zugelassen wird, wenn für die Einhaltung aller umweltrechtlichen Anforderungen Sorge getragen wird.“
IG: Hier weist ExxonMobil selber, wenngleich ungewollt auf ein Kernproblem hin: Die derzeitigen
(umwelt-)rechtlichen Anforderungen sind nicht ausreichend. Insbesondere das Bundesberggesetz
von 1980, zuletzt geändert 2009, weist Lücken auf. Denn es berücksichtigt u. a. nicht die
wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre. Das kritisieren inzwischen auch viele Parteien,
Wasser-, Umwelt- und Kirchenverbände. Sie fordern eine Überarbeitung der Rechtsnormen und
eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Bohrvorhaben.3, 4, 5, 6, 7, 8
Ferner ist nicht zu erkennen, warum die Zulassung für „lediglich eine Bohrung“ unbedenklich sein
sollte. ExxonMobil betont: „Erkundungs- und Produktionsbohrungen unterscheiden sich
grundsätzlich nicht voneinander.“9
EXXON: „4. Für die Durchführung von Frac-Maßnahmen in der Bohrung Nöpke gibt es bisher keine Pläne.“
IG: Für ExxonMobil ist nach eigenem Bekunden die Auswertung der bereits erfolgten und weiterer
geplanter Erkundungsbohrungen entscheidend. Sie gibt Aufschluss, ob die Förderung Profit
verspricht. Die Aussage des Konzerns, „Frühestens im Jahr 2013 würde ein solches Projekt
durchgeführt werden“,1 kann also nicht beruhigen.
EXXON: „5. Zwischen der Erdgaslagerstätte und den trinkwasserführenden Schichten lägen auch in der Bohrung Nöpke mehrere hunderte Meter dichtes Gestein.“
IG: Beim Aufbrechen des Gesteins durch Hydraulic Fracturing werden Risse erzeugt, die ebenfalls
mehrere hundert Meter lang sind. Wir befürchten, dass sie auch die trinkwasserführende Schicht
erreichen könnten. Dieses Risiko wird beispielsweise auch von der Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe nicht vollständig ausgeschlossen.10
Gefährlich sind auch natürliche Verwerfungen im Gestein und alte, zum Teil vergessene
Bohrlöcher. Sie könnten unkontrollierbare Verbindungen zum Trinkwasserleiter bilden.
Vor diesem Hintergrund gibt ein Kommentar des niedersächsischen Wirtschaftsministers Jörg
Bode Anlass zur Sorge: „In Niedersachsen befinden sich mehrere Tausend Bohrungen zur
Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen“. Und weiter: „Von der detaillierten Auflistung
der Tiefen dieser Bohrungen sowie der jeweiligen Maßnahmen zum Grundwasserschutz an den
einzelnen Förderbohrungen wird aufgrund des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes
abgesehen.“11 Es muss unterstellt werden, dass Bode, der als Befürworter der Fracking-
Technologie gilt, sich bei dieser Feststellung nicht ihrer Tragweite bewusst war.
Die Aussage von ExxonMobil lenkt zudem von einer wichtigen Tatsache ab. Denn die meisten der
bisher dokumentierten Unfälle ereigneten sich oberirdisch. Auslaufende Frack-Flüssigkeit,
undichte Leitungen für Lagerstättenwasser, überlaufende Tanks, fehlerhafte Zementierung sind
hier nur einige Beispiele.12, 13, 14
EXXON: „6. Vor einer etwaigen Durchführung des Bohrprojekts wird ExxonMobil im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung das Projekt vorstellen und allen Interessierten Rede und Antwort stehen.“
IG: Das beinhaltet kein Mitsprache- und Entscheidungsrecht der Bevölkerung, der Kommune und
des Wasserverbandes. Man achte auf die Wortwahl: Die Durchführung des Bohrprojektes wird gar
nicht infrage gestellt.
EXXON: „7. Umfassende Informationen rund um das Thema Schiefergaserkundung, Hydraulic Fracturing etc. finden Sie unter www.erdgassuche-indeutschland. de. Dort veröffentlicht ExxonMobil u.a. auch als erster und bisher einziger deutscher Erdgasproduzent die bei Frac-Maßnahmen eingesetzten Flüssigkeiten.“
IG: Wir können nur anregen, sich dort genau zu informieren. Denn hier erfährt man beispielsweise
zuerst: „Das verwendete Flüssigkeitsgemisch besteht zu ca. 95-98% aus Wasser (…) Es ist nach
Chemikalienrecht nicht kennzeichnungspflichtig und kein Gefahrgut.“ Mehrere ExxonMobil-
Protokolle weisen jedoch eine Wasseranteil von nur 70 % oder weniger aus.15, 16, 17, 18 Ein
Protokoll dokumentiert den Einsatz von 10,26 % Chemikalien.17 Und die Deklaration für die
Bohrstelle Söhlingen Z15 deckt einen weiteren Widerspruch auf: „Das Flüssigkeitsgemisch (…) ist
wegen des Dieselanteils nach Chemikalienrecht / TRGS 200 kennzeichnungspflichtig“.18

EXXON: „8. Das Frac-Verfahren kommt in Deutschland seit rund 50 Jahren zum Einsatz und steht für 1/3 der heimischen Förderung. Es hat bisher in keinem einzigen Fall zu einem Umweltschaden geführt.“
IG: Der Begriff „Frac-Verfahren“ steht nicht etwa für eine eindeutig definierte Technologie.
Ingenieure verstehen unter Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, vielmehr eine ganze Reihe
unterschiedlicher Verfahren. Ihr gemeinsames Grundprinzip besteht darin, durch Einpressen von
Flüssigkeit unter hohem Druck künstliche Risse im Gestein zu erzeugen. Und so kann man nicht
leugnen, dass bestimmte Formen des Frackings seit Jahrzehnten angewandt werden. Bei der
Erschließung von Schiefergasvorkommen spricht ExxonMobil jedoch selber von „einer modernen
Technologie“.2 Sie kombiniert Horizontalbohrungen mit Chemikalieneinsatz und würde auch in
Nöpke II zum Einsatz kommen.
In den USA hingegen wurde diese Hochrisikotechnologie bereits tausendfach durchgeführt. Hier
wurden verheerenden Auswirkungen für die Umwelt und die Gesundheit der Anwohner bekannt.
ExxonMobil streitet Zusammenhänge ab.9 Doch entsprechende Belege findet man schnell. Zum
Beispiel in einer Datenbank des Staates Pennsylvania: Schon mehrfach musste die ExxonMobil-
Tochtergesellschaft XTO ENERGY wegen ihrer Verstöße Strafen zahlen – in bis zu sechsstelliger
Höhe. Allein der Kontrollreport über dieses eine Unternehmen aus den letzten drei Jahren umfasst
57 Seiten. Hier erfährt man, dass unter anderem Frac- und Flowback-Flüssigkeiten ausgetreten
sind und mehrfach Erdreich abgetragen werden musste. Wiederholt wird auf tote Vegetation im
Umfeld von Leckagen hingewiesen. Sanierungspläne werden gefordert und vor Gefahren für das
Wasser von Pennsylvania gewarnt.12
Aber auch in Söhlingen (Niedersachsen) wurde im Zusammenhang mit der Erdgasförderung über
Jahre das Grundwasser mit Benzol und Quecksilber vergiftet. Von ExxonMobil betriebene
Lagerstättenwasser-Leitungen waren defekt. Benzol und Quecksilber konnten anschließend sogar
im Blut von Anwohnern nachgewiesen werden, wie der NDR berichtete.13
EXXON: „9. ExxonMobil hat zu allen Fragen rund um das Thema einen öffentlichen Informationsund Dialogprozess initiiert, im Rahmen dessen hochrangige unabhängige Experten allen Fragen nachgehen. An diesem Prozess sind verschiedenste Interessenvertreter, insbesondere Vertreter der Wasserwirtschaft und Gemeinden, aktiv beteiligt. Informationen zu diesem Prozess sowie Zwischenergebnisse finden Sie unter www.dialogerdgasundfrac. de. ExxonMobil hat zugesagt, erst und nur dann einen Antrag für Frac-Maßnahmen für eine Schiefergasbohrung zu stellen, wenn der Expertenkreis hierfür grünes Licht gibt.“
IG: Wir möchten darauf hinweisen, dass der Dialogprozess durch ExxonMobil initiiert wurde und
auch bezahlt wird. Ein neutrales Ergebnis halten wir folglich für unwahrscheinlich.
Auch die Unabhängigkeit des Expertenkreises darf angezweifelt werden. Unter den beteiligten
Sachverständigen befinden sich Mitarbeiter des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ).
Eine Verbindung zwischen Erdgasindustrie und UFZ wird von ExxonMobil bestritten.19 Ein
weiteres Helmholtz-Zentrum arbeitet hingegen sehr wohl für die gasfördernde Industrie: das
GeoForschungsZentrum (GFZ).20 Es betreut das so genannte GASH-Projekt (Gas Shales in
Europe),21 das unter anderem von ExxonMobil gesponsert wird.22 GASH hat zum Ziel, die
Vorkommen von Schiefergas in Europa aufzuspüren und zu qualifizieren. Es definiert sich dabei
selber als „ergebnisorientiert und auf kurz- und langfristige Fragestellungen sowohl der
Wissenschaft als auch der Industrie ausgerichtet.“23 Weitere Recherchen ergeben: UFZ und GFZ,
beide gehören zur Helmholtz-Gemeinschaft, werden in mehreren Projekten als Partner
aufgeführt.24, 25
Ebenfalls interessant ist der Bericht von Günther Falldorf. Der Bürgermeister der vier Ortschaften
des Mühlenfelder Landes nahm bereits mehrmals als Gast am ExxonMobil-Dialogprozess teil. Er
berichtet, dass keiner der dort anwesenden Experten Umweltbeeinträchtigungen durch
unkonventionelle Erdgasförderung ausschließen konnte. Der Bürgermeister nahm u. a. diese
Aussagen zum Anlass, sich entschieden gegen das Verfahren zu stellen.

EXXON: „10. Die zu Recht hohen Umweltstandards in Deutschland gelten für die heimische Produktion, nicht für Importgas. Gerade aus Umweltgründen spricht daher vieles dafür, den steigenden Erdgasbedarf in Deutschland nicht nur mit Importgas zu decken.“
IG: Die deutschen Umweltstandards für die Erdgasförderung als „hoch“ zu bezeichnen ist eine
Auslegung der erdgasfördernden Industrie. Nicht selten erhalten wirtschaftliche Aspekte Vorrang.
So stellt ExxonMobil selber im Bezug auf das geltende Bundesberggesetz fest: „Es muss
sichergestellt werden, dass die heimische Rohstoffgewinnung für die Bergbauunternehmen
wettbewerbsfähig bleibt (…) Es ist zudem erklärtes gesetzgeberisches Ziel (…)
Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.“26 Übrigens: Einer der größten Erdgas-Lieferanten für
Deutschland ist Norwegen. Hier gibt es Fördergebiete, die als Musterbeispiel für den
Umweltschutz gelten.27

NRÜ GEGEN FRACKING (Januar 2012).
Im Internet finden Sie Informationen über uns, unser Anliegen und unsere Aktionen:
www.gegen-fracking.de
www.facebook.com/gegenFracking
Fundstellen
1 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/kommunikation/presseinformationen/index.html#20120113 (Zugriff: 21.01.2012)
2 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/erdgas/vorkommen_in_deutschland/erschliessung_neuer_lagerstaetten.html (Zugriff:
16.01.2012)
3 http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/fracking117.html in Verbindung mit http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/
fracking143.html (Zugriff: 21.01.2012)
4 http://www.bundestag.de/presse/hib/2011_11/2011_463/04.html (Zugriff: 21.01.2012)
5 http://www.gruene-nrw.de/details/nachricht/fracking-darf-mensch-und-umwelt-nicht-schaden.html (Zugriff: 21.01.2012)
6 http://www.wvgn.de/index.php/news/items/fracking-sorge-um-die-trinkwasserressource.html (Zugriff: 21.01.2012)
7 http://www.unkonventionelle-gasfoerderung.de/2011/06/06/evangelischer-kirchentag-resolution-zur-bewahrung-der-schoepfungfordert-
moratorium-fuer-fracking-bei-unkonventioneller-gasfoerderung/ (Zugriff: 20.12.2012)
8 http://www.bund-nrw.de/themen_und_projekte/energie_klima/erdgas_fracking/ und http://www.bund-nrw.de/themen_und_projekte/
energie_klima/erdgas_fracking/ (Zugriff: 21.01.2012)
9 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/sicherheit_und_umwelt/index.html (Zugriff: 21.01.2012)
10 http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/CO2Speicherung/Downloads/Fracking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Zugriff: 21.01.2012)
11 http://www.mw.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=5459&article_id=100421&_psmand=18 (Zugriff: 21.01.2012)
12 http://www.depreportingservices.state.pa.us/ReportServer/Pages/ReportViewer.aspx?/Oil_Gas/OG_Compliance (Zugriff: 21.01.2012)
13 NDR (10.01.2011): Grundwasser von Söhlingen vergiftet? http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/heide/erdgas109.html, in
Verbindung mit NDR (21.02.2011): http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/markt/media/markt5871.html, und NDR (23.02.2011): http://
www.ndr.de/regional/niedersachsen/heide/soehlingen101.html (Zugriff: 15.10.2011)
14 http://checksandbalancesproject.org/tag/conrad-volz/ (Zugriff: 21.01.2012)
15 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/files/Materialverbrauch_Frac_Buchhorst_T12.pdf (Zugriff: 21.01.2012)
16 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/files/soehlingen_z13.pdf (Zugriff: 21.01.2012)
17 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/files/Soe-O-Z8-06-92.pdf (Zugriff: 17.01.2012)
18 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/files/soehlingen_z15.pdf (Zugriff: 17.01.2012)
19 http://dialog-erdgasundfrac.de/neutraler-expertenkreis (Zugriff: 23.01.2012)
20 http://dialog-erdgasundfrac.de/frage/frage-zur-neutralität-der-wissenschaftlichen-leitung#comments (Zugriff: 23.01.2012)
21 http://www.gas-shales.org/index.php/en/people.html (Zugriff: 21.01.2012)
22 http://www.gas-shales.org/index.php/en/sponsors.html (Zugriff: 21.01.2012)
23 http://www.gas-shales.org/index.php/de/schwerpunkte.html (Zugriff: 21.01.2012)
24 http://www.ufz.de/export/data/1/27552_UFZ_XII_FT12_Klimaentwicklg.pdf (Zugriff: 21.01.2012)
25 http://www.gfz-potsdam.de/portal/gfz/Forschung/Programmorientierte_Foerderung/FB+Erde+und+Umwelt/Geosystem+Erde+im
+Wandel/P1_Erdsystem-Monitoring (21.01.2012)
26 http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/erdgas/rechtliche_rahmenbedingungen/index.html (Zugriff: 21.01.2012)
27 http://de.wikipedia.org/wiki/Snøhvit (Zugriff: 21.01.2012)

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