Fracking: Desaster für die öffentliche Gesundheit

NFESteingraber: Die USA und Europa sollen „Nein!“ sagen

Mehrere Studien aus den USA bestätigen inzwischen die Risiken, die gefracktes Gas – und die Skrupellosigkeit, mit der in Europa neue Bohrungen aufgemacht werden sollen – für die menschliche Gesundheit und die Umwelt bedeuten, sagt Sandra Steingraber. Die Biologin, Wissenschaftlerin, Buchautorin und für ihre Gesundheitskampagnen preisgekrönte Aktivistin hielt am 4. Juni 2014 einen Vortrag anlässlich des EU-Kommissionsgipfels zur neuen Umweltpolitik. Dabei rief sie zu einem europaweiten Fracking-Moratorium auf:

Der aufkommende Forschungszweig in den USA – dort, wo diese Technik herkommt – zeigt, dass Fracking ein Desaster für die öffentliche Gesundheit in Zeitlupe darstellt. Klar, die Mühlen der Wissenschaft mahlen langsam, insbesondere verglichen mit der goldrauschhaften Geschwindigkeit, mit der Fracking unser Land überrollt hat. Deswegen stehen wir noch vor vielen Unsicherheiten, was die Daten angeht.

Dennoch holt die Wissenschaft langsam auf, seit Fracking sich aus entlegenen, ländlichen Regionen im Westen in dichter besiedelte, östliche Regionen ausbreitet. Deutlich wird das, wenn man die Zahl der veröffentlichten Studien zu den Gesundheitsfolgen des Fracking betrachtet: In den ersten vier Monaten des Jahres 2014 sind mehr von ihnen erschienen als in den Jahren 2011 und 2012. Zusammengenommen, bringen diese Studien eine wichtige Warnung nach Europa, wo die Besiedelung über doppelt so dicht wie in den USA ist.

Wir wissen, dass flüchtiges Methan über jedem Schritt der Erdgasproduktion wabert: Förderung, Aufbereitung, Verteilung – und die ganzen nebengeordneten Prozessschritte dabei. Methan ist ein starkes Treibhausgas, deshalb ist Fracking kein Gegenmittel gegen den Klimawandel, sondern im Gegenteil, es treibt ihn noch an. Außerdem verbindet sich das Methan mit den Abgasen der Verbrennungsmotoren zu Smog. Und die Einwirkung von Smog verursacht kostspielige, behindernde Gesundheitsprobleme, einschließlich frühem Tod, Asthma, Schlaganfall, Herzanfall und niedrigem Geburtsgewicht.

Die luftverschmutzenden Substanzen, die beim Fracking anfallen, umfassen auch Staub vom verwendeten Quarzsand, krebserregendes Radon und Benzol, bekannte Auslöser von Blutkrebs bei Kindern. In einigen US-amerikanischen Gemeinden, in denen intensiv gefrackt wird, haben jetzt Untersuchungen begonnen, die mögliche Zusammenhänge zwischen der durch Fracking verursachten Luftverschmutzung und der eindeutig zu beobachtenden Zunahme von frühkindlichem Tod und Geburtsfehlern aufdecken sollen. Beim Benzol gibt es keinen Grenzwert, unter dem eine Exposition ungefährlich wäre.

Können diese giftigen Emissionen durch Gesetze abgestellt werden? Es gibt keine Grundlage für so eine Annahme und es gibt offensichtliche Gründe, warum das Gegenteil der Fall ist. Einige der dem Fracking innewohnenden Risiken haben mit der Technik selbst zu tun: Bohrungen können leckschlagen, weil der Zement, der die Bohrlöcher abdichten soll, alt werden und schrumpfen kann, sodass der abdichtende Kontakt mit dem umgebenen Gestein verloren geht.

Auch Bohren und Fracken selbst scheinen zum Verlust der Bohrlochdichtigkeit beizutragen. Durch das Bohren entstehen Risse im umgebenden Gestein, die durch den Zement nicht vollständig abgedichtet werden können: So bleiben Wegsamkeiten für aufsteigendes Gas offen. Keine Gesetze und kein noch so sorgfältiges Arbeiten kann dieses Problem verhindern.

Das Versagen der Bohrlochabdichtung befördert auch die Verschmutzung des Grundwassers. Obwohl die Industrie nicht aufhört, diesen Umstand zu leugnen, ist die Tatsache, dass Fracking für Grundwasserkontaminationen verantwortlich ist, in den USA mittlerweile unbestreitbar.

Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Grundwasserkontaminationen [nach Fracking] in Pennsylvania, Ohio, West Virginia und Texas aufgetreten sind. Zu den verschmutzende Substanzen, die gefunden wurden, gehören: Methan, Radium, Arsen und mehrere Stoffe, die das Hormonsystem stören – so genannte endokrine Disruptoren. Dieses letzte Ergebnis ist besonders besorgniserregend, weil endokrine Disruptoren das Hormonsystem schon in verschwindend geringen Mengen kompromittieren können. Wie beim Benzol gibt es auch hier keinen Grenzwert, unterhalb dem eine Exposition ungefährlich wäre.

Alarmiert durch die zunehmende Evidenz von Gesundheitsschäden quer durch die Vereinigten Staaten, überall da, wo Fracking durchgeführt wird, haben über 250 Gesundheitsorganisationen und Heilberufler am 29. Mai einen Brief an Andrew Cuomo, den Gouverneur von New York, gesandt, in dem sie zu einem förmlichen Moratorium für Fracking im Staat New York aufrufen.

Die Health and Environment Alliance (HEAL) hat zu einem Fracking-Moratorium in Europa aufgerufen – wegen der öffentlichen Gesundheit. Diese Non-Profit-Organisation, die über 65 Mitgliedsorganisationen repräsentiert, ist insbesondere besorgt, dass das Recht der EU-Mitgliedsstaaten, NEIN zum Fracking zu sagen, durch die Investorschutzklausel im Freihandelsabkommen TTIP außer Kraft gesetzt wird. In Kanada wird genau so eine Klausel bereits jetzt benutzt, um das Fracking-Moratorium der Provinz Quebec zu unterlaufen.

Übersetzung von:
EURACTIV.com, 12.06.2014: Fracking is a public health disaster. The US and Europe should say ‚No!‘

Übersetzt von Carin Schomann

Weiterführende Info: HEAL, US-EU moratorium on fracking is essential to protect public health

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