Internationale Ärzte IPPNW, Regionalgruppe Rotenburg, fordern zwingend Konsequenzen aus den Krebsclusteruntersuchungen in der SG Bothel!

Rotenburg, den 10.05.2017 Pressemitteilung

Die wichtigen Hinweise verstehen und mögliche Konsequenzen ziehen

Für die Jahre 2003-2012 war durch das epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) eine um 100 % erhöhte Rate an hämatologischen Krebsneuerkrankungen (bösartige Erkrankungen des Blutes, des Knochenmarks und des lymphatischen Systems) bei älteren Männern in der Samtgemeinde Bothel festgestellt worden (41 statt erwarteter 21 Fälle). In einer „explorativen Analyse“ (befragende Untersuchung) sollten ab Ende 2014 Hinweise auf mögliche Gemeinsamkeiten bei den Erkrankten gesucht werden, die für eine Erforschung der Ursachen hilfreich sein könnten. Befragung und Analyse wurden in enger Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitsamt des Landkreises Rotenburg und dem Landesgesundheitsamt Niedersachsen in Hannover gründlich durchgeführt. Die initiierenden Bürgerinitiativen waren am Prozess beteiligt, im Verlauf auch die

IPPNW Regionalgruppe Rotenburg (Wümme).

Die Untersuchung umfasste folgende Schritte:

  1. Auswertungsebene:

Die durch das EKN erfassten Daten sind anonym; um die erkrankten Patienten zu finden, mussten alle Einwohner der Samtgemeinde Bothel per Brief (mit zweimaliger Erinnerung) befragt werden – fast 7000 Briefe wurden verschickt – und eine bemerkenswert gute Quote von 2/3 der Befragten haben geantwortet.

  1. Auswertungsebene:

Durch persönliche Befragung wurden die an Blutkrebs neu erkrankten Patienten herausgefiltert und bestätigt (z.B. Krankenunterlagen). Hier stimmten die Daten weitestgehend mit den Daten des EKN überein („Gegenprobe“).

  1. Auswertungsebene:

Eine Wohnort- und Arbeitsplatzanamnese bis zu 35 Jahre rückblickend wurde detailliert erhoben. Hier zeigte sich ein Hinweis auf eine Assoziation (Zusammenhang) mit Arbeit in der holzverarbeitenden Industrie.

  1. Auswertungsebene:

Jedem gefundenen Patienten wurden vier Kontrollpersonen zugeordnet, die nach Alter, Geschlecht und zuletzt ausgeübter Tätigkeit vergleichbar waren, um die Aussagekraft der Untersuchung zu verbessern (Fall-Kontroll-Ansatz). Hier zeigte sich, dass die erkrankten Personen signifikant dichter an Bohrschlammgruben und Förderanlagen wohnten. Dabei wiesen die Bohrschlammgruben trotz größerer Entfernungen statistisch deutlichere Effekte auf als die Erdgasförderanlagen.

  1. Fortgesetzt erhöhte Neuerkrankungsrate als weiteres Ergebnis:

In der Befragung wurden auch Daten von Patienten erfasst, die in den Jahren 2013 und 2014 erkrankten und deshalb in der ursprünglichen Krebsregisterabfrage nicht berücksichtigt worden waren. Statt der statistisch in diesem Zeitraum zu erwartenden fünf Fälle zeigten sich acht neu an hämatologischen Krebsarten Erkrankte.

Hieraus ergeben sich unseres Erachtens zwingend folgende Konsequenzen:

  1. Studie:

Eine unabhängige prospektive Fall-Kontrollstudie mit Schadstoffmessungen für wahrscheinlich verursachende Stoffe, die Zusammenhänge sichern kann und dafür inhaltlich, personell und finanziell ausreichend ausgelegt ist, muss unter fortgesetzter Beteiligung von Bürgerinitiativen und Ärzten der IPPNW-Gruppe umgehend geplant und durchgeführt werden. Hierfür sollte ein bereits bestehender Austausch mit Wissenschaftlern im In- und Ausland intensiv genutzt werden.

Der zeitliche Horizont einer solchen überaus wichtigen Studie beträgt voraussichtlich nicht unter drei Jahren.

  1. Sofortige Schadensminimierung:
  • § Der volle Umfang bereits bestehender Kontrollmöglichkeiten der Gas- und Ölindustrie durch Behörden muss ausgeschöpft werden. Die ausführenden Institutionen müssen hierfür ausreichend ausgestattet werden (u.a. LBEG, Gewerbeaufsichtsämter). Eine unabhängige adäquate Schadstoffmessung ist unabdingbar – hier müssen unbedingt auch radioaktive Substanzen Beachtung finden. Es ist nicht zu vertreten, Verursacher von Schäden einer Selbstkontrolle zu überlassen.
  • § Hinweisen zu Umweltschädigungen muss zeitnah nachgegangen und die Vergehen ggf. sofort beendet und behoben werden (im Sinne des Verursacherprinzips).
  • § Die Möglichkeiten der Sanierung von Bohrschlamm enthaltenden Gruben müssen geprüft und auf der Grundlage des Verursacherprinzips umgesetzt werden.
  • § Alle rechtlichen Möglichkeiten zum Schutze des Trinkwassers sind anzuwenden.
  • § Umweltverträglichkeitsprüfungen müssen  durchgeführt werden.
  • § Wir fordern auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips ein Moratorium für Fracking.

Rotenburg, den 10.05.2017

Kontakt IPPNW Regionalgruppe Rotenburg (Wümme):

Dr. med. Paul Matthias Bantz, E-Mail: Bantz-ROW@t-online.de

Dr. med. Christoph Dembowski, E-Mail: dembosol@ewetel.net

Dr. med. Christiane Qualmann, E-Mail: christianequalmann@t-online.de

 

Beiträge ähnlichen Inhalts

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner